Aktives Wundmanagement (AWM) – Entscheidungshilfen und Empfehlungen
Das aktive Wundmanagement (AWM) ist eine gängige Methode in der Nachsorge nach einer Frenotomie oder sublingualen Frenuloplastik (Zungenbandtrennung). Es zielt darauf ab, die rautenförmige Wunde unter der Zunge in die Länge zu dehnen, um eine längsgerichtete Verheilung und maximale Beweglichkeit zu gewährleisten. Auch bei der Trennung des Lippenbands wird diese Technik angewendet, um Verkleben der Wunde zu verhindern. Doch wie sinnvoll ist das AWM wirklich?
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Was ist aktives Wundmanagement?
AWM bedeutet, dass die Wunde regelmäßig gedehnt wird – je nach Empfehlung in einem Rhythmus von alle 4–6 Stunden über einen Zeitraum von 4–6 Wochen.
Diese Vorgehensweise wird kontrovers diskutiert, da:
Es keine wissenschaftlichen Studien zu den Effekten oder Risiken des AWM gibt (Stand 2024).
Praktiken von „intensivem Dehnen“ bis hin zu „gar keinem AWM“ reichen.
Einige Fachpersonen die Vorbereitung auf das AWM als essenziell betrachten, während andere darauf verzichten.
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Empirische Erfahrungen und Reattachment (Verkleben der Wunde)
Trotz fehlender Studien gibt es umfangreiche empirische Erfahrungen. Sowohl KollegInnen als auch ich selbst haben wiederholt sogenannte Reattachments (Verklebungen der Wunde) beobachtet.
Wichtige Punkte zum Reattachment:
Warum es passiert, ist unklar. Selbst bei konsequent durchgeführtem AWM kann es zu Verklebungen kommen.
Keine Schuldzuweisung. Die Bezugspersonen sind nicht schuld, wenn das AWM durchgeführt wurde und die Wunde dennoch verklebt.
Schnelles Handeln erforderlich. Sobald ein Reattachment festgestellt wird, sollte sofort die begleitende Fachperson oder der behandelnde Arzt kontaktiert werden. In den meisten Fällen kann das verklebte Gewebe aufgedehnt werden, solange zeitnah reagiert wird.
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Langfristige Folgen, wenn nicht getrennt wird:
Es ist wichtig, keine pauschale Angst vor langfristigen Folgen zu schüren. Eine Zungenbandtrennung sollte nur bei eindeutigen Symptomen erfolgen, nicht als Vorsichtsmaßnahme.
Der richtige Ansatz:
1. Funktionsprüfung der Zunge durch fortgebildetes Fachpersonal.
2. Gesamtsituation analysieren: Stillmanagement, achtsames Füttern mit der Flasche, Beikostberatung oder logopädische Maßnahmen sind oft die ersten Schritte.
3. Individuelle Entscheidung: Nur wenn Symptome trotz Anpassungen bestehen, kann eine sublinguale Frenuloplastik sinnvoll sein.
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Meine persönliche Herangehensweise:
Nach umfassender Weiterbildung und dem Austausch mit KollegInnen habe ich mich für einen individuellen Mittelweg in der Nachsorge entschieden.
Vorsorge (freiwillig):
Die Vorsorge gibt euch die Möglichkeit, das AWM ohne Druck zu erlernen. Dabei leite ich euch zu Übungen an, um den Mundraum muskulär vorzubereiten. Es kann ein schnellerer positiver Effekt nach der Frenotomie eintreten (ohne Garantie).
Nachsorge (eure Entscheidung):
Ich empfehle die Durchführung des AWMs, passe es jedoch individuell an die Bedürfnisse der Familie an.
Mein Grundgerüst für die Betreuung umfasst:
24 Stunden postoperativ (p.op): Erstes Feedback zur Durchführung des AWMs.
3–5 Tage p.op: Beurteilung der Heilung und AWM-Technik.
10–14 Tage p.op: Kontrolle des Fortschritts und Abschlussbeurteilung.
Bei Bedarf kann eine engmaschigere Betreuung erfolgen, um Unsicherheiten zu reduzieren.
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Abschließende Gedanken:
Das AWM ist eine Entscheidung, die von der individuellen Situation abhängt.
Wichtig ist:
Sich gut beraten zu lassen.
Den Mundraum und die Beweglichkeit nach der Frenotomie regelmäßig zu beobachten.
Auf das Bauchgefühl zu hören und bei Problemen nicht zu zögern, Unterstützung einzuholen.
Eure Reise ist individuell – und ich stehe euch gerne zur Seite, um gemeinsam die beste Lösung zu finden.